Strahlenbelastung: Amateurfunk-Antenne vs. WLAN-Router

Vor kurzem unterhielt ich mich mit einem Nachbarn über meine Funk-Antennen, die hinter dem Haus im Garten in den Himmel ragen.

Er äusserte sich besorgt über die Strahlenbelastung und habe sich im Internet über den Amateurfunk erkundigt. Er meint, eine Leistung von 100 W sei schon ziemlich viel.

Ich erklärte ihm, dass die meisten Ängste durch Unwissenheit entstehen und dass es in meinem Interesse ist, mit meinen Antennen niemanden zu verängstigen oder zu besorgen. Als Funkamateur sehe ich es auch als meine Aufgabe, unsere Mitmenschen über unser Hobby aufzuklären.

Wie hoch ist denn die Strahlenbelastung, die wir mit unserem Hobby verursachen? Leider konnte ich meinem Nachbarn keine Zahlen nennen. Ich versprach aber, das zu berechnen und ihn zu informieren.

Ein Gedankenexperiment

Nehmen wir an, mein Nachbar steht eine Stunde lang einen Meter von seinem WLAN-Router entfernt, der 100 mW Leistung im 2.4 GHz-Band abstrahlt. 100 mW ist die maximal zulässige Leistung für WLAN-Router in Europa inkl. der Schweiz.

Nehmen wir weiter an, dass die 100 W Ausgangsleistung von meinem Transceiver ohne Verluste im Koaxialkabel an der Antenne in meinem Garten ankommen und dort abgestrahlt werden.

Wie weit entfernt von meiner Funk-Antenne müsste sich mein Nachbar positionieren, um innerhalb einer Stunde die gleiche Strahlenbelastung zu erfahren, als würde er neben seinem WLAN-Router stehen? Stellen wir eine Berechnung an:

Die sogenannte Leistungsflächendichte (Leistung pro Fläche) nimmt mit dem Quadrat des Abstands von der Quelle ab (Abstandsgesetz oder inverse-square law).

Für meine Funk-Antenne die 100 W Sendeleistung abstrahlt möchte ich die Entfernung berechnen, bei welcher die Leistungsflächendichte 100 mW bei einem Meter Entfernung entspricht. Dazu verwenden wir folgende Formel:

\(P_1 / r_1^2 = P_2 / r_2^2\)

\(P_1\) und \(P_2\) stehen jeweils für die Sendeleistungen und \(r_1\) und \(r_2\) beschreiben die entsprechenden Entfernungen.

Mit den eingesetzten Werten \(P_1 = 0.1\text{ W}\) (Leistung, WLAN-Router), \(r_1 = 1\text{ m}\) (Entfernung zum WLAN-Router), \(P_2 = 100\text{ W}\) (Leistung, Funk-Antenne) können wir nach \(r_2\) auflösen:

\(r_2 = \sqrt{\frac{100\text{ W}}{0.1\text{ W}}} \cdot 1\text{ m} = 31.62\text{ m}\)

Mein Nachbar braucht also nur (!) einen Abstand von rund 32 Metern zu meiner Funk-Antenne und schon können mit 100 mW nur noch ein Bruchteil der Ausgangsleistung von 100 W gemessen werden.

»You are five-nine«

Der/die eine oder andere Leser:in hat jetzt vielleicht folgende Frage im Kopf: Wie viel von 100 W Ausgangsleistung kommen noch an, wenn ich in einem QSO von der Gegenstation, die viele Kilometer von mir entfernt ist, einen Signalrapport von S9 erhalte?

Auch das können wir berechnen: Im Bereich der Kurzwelle entspricht S9 einem Signalpegel von 50 Mikrovolt an der Antennenklemme für einen Eingangswiderstand von 50 Ohm. Um diesen Wert in Milliwatt umzurechnen, nehmen wir die folgende Formel, die auf dem bekannten Ohmschen Gesetz basiert:

\(\text{Leistung (P)} = \frac{\text{Spannung}^2}{\text{Widerstand}}\)

Wenn wir die Werte einfügen, erhalten wir ein erstaunliches Resultat:

\(P = \frac{(50 \times 10^{-6} \text{ V})^2}{50 \text{ Ω}} = 0.00000000005\text{ W}\)

Umgerechnet in eine handlichere Zahl landen wir bei 0.00005 Milliwatt resp. 0.05 Mikrowatt. Oder anders: unsere Transceiver sind in der Lage die allerkleinsten Veränderungen der elektrischen Feldstärke zu detektieren. Und das über sehr grosse Distanzen.

Umgebungsvariablen

Auch dieses Gedankenexperiment funktioniert nur unter Laborbedingungen. Die Bedingungen in der Realität sind unterschiedlich. Trotzdem bietet es uns ein umfangreiches Argumentarium. Ich finde es wichtig, noch ein paar Dinge festzuhalten:

  • Ein WLAN-Router sendet resp. strahlt im Gegensatz zu einer Funk-Antenne permanent.
  • Die Emissionen im Amateurfunk sind, in einer QSO-Runde aber auch während eines Contests, eher kurz.
  • Im normalen Funkbetrieb in SSB werden praktisch nie 100 W abgestrahlt. Die durchschnittliche Ausgangsleistung (Average Power Output) liegt unter der Peak Envelope Power (PEP) von 100 W.
  • Ein Teil der Transceiver-Leistung geht immer im Koaxialkabel verloren, resp. wird dort in Wärme umgesetzt. Verwendet man beispielsweise im 70 cm Band 40 m Ecoflex 10 Koaxialkabel, kommt bei der Antenne noch etwa die Hälfte der Transceiver-Leistung an.
  • Je nach Frequenz wird die Energie vom menschlichen Körper unterschiedlich absorbiert. Höhere Frequenzen (e.g. WLAN) haben eine höhere Energie und werden besser von Körpern absorbiert und in Wärme umgesetzt. Bei niedrigen Frequenzen (e.g. Kurzwelle) ist die Energieübertragung geringer.
  • Hindernisse wie Wände oder Kleidung beeinflussen die Ausbreitung von elektromagnetischer Strahlung.

Über den Autor


Kommentare

5 Antworten zu «Strahlenbelastung: Amateurfunk-Antenne vs. WLAN-Router»

  1. Avatar von nobsi
    nobsi

    Sali Ralph
    Sehr gute Ansätze und Argumente welche uns helfen mit den Nachbarn zu kommunizieren. Und deine Beschreibung ist sehr eindrücklich. Danke!

  2. Avatar von Bärti
    Bärti

    Dankefür deinen fundierten Aufsatz.
    73 Bärti

  3. Avatar von Axel
    Axel

    Hallo,
    wie sieht es denn aus, wenn der Nachbar seine Antenne im Reihenhaus auf dem Dach direkt am Übergang zu unserem Dach betreibt? Wenn ich auf dem Dach im Bett liege, habe ich vielleicht noch einen Abstand von 3 Metern zu der Antenne. Das ist was anderes als 32 Meter. Muss ich mir da Sorgen machen?

    Danke und Gruß!

  4. Avatar von
    Anonymous

    Wurde die Hälfte der Mobilfunkantennen abgeschaltet. Und die übrigen um 50% zurück geschaltet entspricht das einer Reduktion der Belastungen um 75%.

    Besonders gefährlich sind CB Handfunkgeräte, da sie im Sekundentakt nach der besten Antenne suchen.

    (Logik meines Nachbarn)

    1. Avatar von Ralph, Echo 79, HB3XCO

      Ganz so einfach ist das mit den Mobilfunk-Antennen nicht. Die 5. Generation der Broadband Cellular Network Technologie (5G) funktioniert grundlegend anders als die 4. Generation (4G). Während 4G-Antennen noch rundstrahlend waren, sind 5G-Antennen oft sogenannte Phased-Array-Antennen, die eine starke Richtwirkung haben und so Mobilgeräte gezielt erreichen können. Das macht die neueste Generation dieser Antennen sehr effizient, was auch zur Folge hat, dass sie weniger Leistung abstrahlen müssen. Jedoch ist das 5G-Netz dichter als das 4G-Netz. Das bedeutet, dass pro Fläche mehr Antennen errichtet werden müssen, um eine optimale Versorgung gewährleisten zu können.

Schreiben Sie einen Kommentar

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahren Sie mehr darüber, wie Ihre Kommentardaten verarbeitet werden .