Mit 1259 Watt nach Australien

Dieser Beitrag ist ein theoretisches Experiment. Meine Berechnungen stimmen unter Laborbedingungen und berücksichtigen keine Antennengewinne, Ausbreitungsbedingungen oder andere Faktoren, wie sie tatsächlich vorherrschen. Ausserdem sind Aussendungen über 1’000 W nicht zulässig.

Weak Signal Propagation Reporter

Seit längerem beschäftige ich mich mit WSPR, einer digitalen Betriebsart, die entwickelt wurde, um Daten bei sehr stark gestörtem Übertragungskanal (schwache Signale, hohes Grundrauschen, etc.) sicher zu übermitteln.

Im Amateurfunk wird WSPR gerne dazu verwendet, um die Ausbreitung von Signalen der eigenen Station zu messen. Amateurfunker, die sich mit Antennenbau beschäftigen, erhalten mit WSPR interessante Daten und können ihre Antennenleistungen besser beurteilen.

Das Prinzip ist einfach: ein Computer steuert den Transceiver, sendet und empfängt WSPR-Signale und speichert die Daten in einer Datenbank. Diese Daten können dann von jedem, der sich dafür interessiert, abgerufen und interpretiert werden.

Analyse von Daten

Als Informatiker und Software-Entwickler interessieren mich Daten die ich interpretieren kann. WSPR bietet mir eine schier grenzenlose Quelle an Informationen, die ich abrufen und auswerten kann.

Wenn ich wissen möchte, welches Frequenzband zu welcher Tageszeit am besten funktioniert, wo gerade viel Betrieb herrscht, wie viele Kilometer pro Watt meine Station schafft, oder warum mich Franzosen oder Südamerikaner nicht hören können, liefern mir WSPR-Daten eine Antwort. Und das in Echtzeit und auf Basis tatsächlich gemessener Werte meiner eigenen Station.

Auf nach Australien

Beim Auswerten der Daten meiner Station fällt mir auf, dass mir 9 Australische Stationen die beste spotQ (Spot Quality) liefern. spotQ ist ein Wert für eine Verbindung grösster Distanz, kleinster Leistung und dem besten Signal-Rausch-Verhältnis (SNR). Der WSPR-Signal-Rapport sieht wie folgt aus:

Zeitpunkt31. Januar 2024, 08:32 HBT
Sender / QTHHB3XCO / JN47dd (Hochdorf)
Empfänger / QTHVK4EMM / QG62lr (Brisbane)
Frequenz21.096038 MHz
Sender Leistung10 W
Sender AntenneEnd-Fed Half Wave für 80 m
Empfänger SNR-11 dB
Distanz16’235 km
Kilometer pro Watt1624 km

Nun stelle ich mir eine Frage: wie viel Leistung müsste ich mit einem SSB-Signal abstrahlen, um ein QSO mit VK4EMM führen zu können?

WSPR vs. SSB

Ein WSPR-Signal hat eine Bandbreite von 5.9 Hz und belegt damit ungefähr 0.23% der Bandbreite eines SSB-Signals mit 2.7 kHz Bandbreite.

Mit WSPR können Daten zuverlässig noch bei einem Signal-Rausch-Verhältnis von -28 dB übertragen werden, wobei ein SSB-Signal einen Signal-Rausch-Verhältnis von mindestens 10 dB (Richtwert) haben muss, um verständliche Sprachkommunikation zu ermöglichen.

Die Differenz des Signal-Rausch-Verhältnisses zwischen meinem von VK4EMM gemeldeten WSPR- und einem SSB-Signal, welches für eine verständliche Kommunikation nötig ist, beträgt also 21 dB. Da dB logarithmisch skaliert ist wissen wir, dass eine Erhöhung um 3 dB eine Verdoppelung der Leistung bedeutet. Jetzt können wir uns daran entlanghangeln:

  1. Von -11 dB auf -8 dB: Verdoppelung der Leistung auf 20 W
  2. Von -8 dB auf -5 dB: Verdoppelung der Leistung auf 40 W
  3. Von -5 dB auf -2 dB: Verdoppelung der Leistung auf 80 W
  4. Und so weiter, bis wir die nötigen 21 dB überbrückt haben

Oder wir wenden eine Formel an:

\(P_{\text{benötigt}} = P_{\text{ursprünglich}} \times 10^{\frac{\Delta \text{dB}}{10}}
\)

Fügen wir nun noch die entsprechenden Werte ein, erhalten wir folgendes Resultat:

\(\text{Benötigte Leistung (W)} = 10 \times 10^{\frac{21}{10}} \approx 1259 \, \text{W}\)

Unter Laborbedingungen müssten wir also, unter unveränderten Bedingungen bezüglich Transceiver, Antenne und Ausbreitungsbedingungen, rund 1’260 W Leistung abstrahlen, um ein SSB-QSO mit VK4EMM führen zu können.

Warum Amateurfunk? Darum!

Dieses theoretische Experiment verdeutlicht nicht nur die Grenzen und Möglichkeiten der digitalen Betriebsarten im Amateurfunk, sondern erinnert mich auch daran, warum ich diesem Hobby so leidenschaftlich nachgehe. Die Faszination, mit minimaler Ausrüstung und unter Ausnutzung der Physik Verbindungen über tausende Kilometer herzustellen, ist für mich das Herzstück des Amateurfunks. Es ist ein ständiger Ansporn, meine Kenntnisse zu vertiefen und die Effizienz meiner Station zu maximieren, immer im Rahmen der gesetzlichen Bestimmungen und mit Respekt vor der Kunst und Wissenschaft des Funkverkehrs.

Die Beschäftigung mit WSPR und ähnlichen Betriebsarten eröffnet eine Welt, in der jedes Signal, jede überbrückte Distanz und jede neue Verbindung Teil eines globalen Experiments ist. Es zeigt, wie wir als Funkamateure durch Neugier, technisches Verständnis und Kreativität Grenzen erweitern können – und das oft mit weniger, statt mehr Leistung. Meine Experimente mit WSPR und die theoretische Überlegung, ein QSO mit Australien zu führen, sind lebendige Beispiele dafür, wie Amateurfunk immer wieder herausfordert und inspiriert.

So bleibt die Magie des Amateurfunks für ein lebenslanges Lernen und Entdecken, ein Dialog mit der Welt, der weit über die blosse Kommunikation hinausgeht. Es ist ein Beweis dafür, dass im Zeitalter der digitalen Vernetzung die alte Kunst des Funkens immer noch fasziniert und verbindet – und mich persönlich auf einer tiefen Ebene erfüllt.


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